Bonnes Festes

Ein verführerischer Duft, warmer Glühwein, Plätzchen, spanische Spezialitäten zur Weihnachtszeit. Den Besuch auf dem Weihnachtsmarkt in Barcelona malen wir uns bereits in den tollsten Farben aus. Es ist das erste Adventswochenende. Voll Vorfreude spazieren wir durch die Stadt. Ein bunter Flohmarkt, kleine Gassen, in denen Graffitisprayer gerade an ihren Werken arbeiten, ein veganes Café und eine Mischung aus Studenten, Künstlern, Hipstern. Wir biegen in eine andere Straße ein. Menschenmassen drängen sich aneinander. Möchtegern-Influencer reihen sich wie auf einer Hühnerstange entlang auf, jede der Frauen will das beste Foto für Instagram haben. Mit der La Sagrada Familia und all den anderen Sehenswürdigkeiten, die es heute noch zu besichtigen gilt. Ein witziger Anblick. Wir suchen im Gegensatz dazu eher nach den unscheinbaren Nebengassen, welche von den Touristen wenig Aufmerksamkeit bekommen.

Dort vorne kündigt sich ein kleiner Platz an. Weihnachtslichter leuchten, ein paar Buden sind zu sehen. Juhu! Das muss der Weihnachtsmarkt sein! Enthusiastisch marschieren wir darauf los. Hier gibt es Krippenfiguren. An der nächsten Bude auch. Was wohl die darauffolgende zu bieten hat? Krippenfiguren! „Lass uns mal die andere Reihe ansehen“, meinen wir zueinander. Nach dem Stadtbummel steigt die Lust auf eine schöne Tasse Glühwein und einen Snack. Doch auch dort gibt es nur Zubehör für die heilige Stätte. Das reinste Krippenparadies! Eine Figur ist jedoch besonders. Sie fällt uns immer wieder auf, denn sie zeigt ihren nackten Hintern und ist gerade dabei, ihr Geschäft zu verrichten. Wie wir erfahren, handelt es sich um den Caganer – zu Deutsch unverblümt den „Scheißer“. Ursprünglich noch ein Bauer, zeigt die Figur heute alle möglichen realen und fiktiven Personen: Messi, Merkel, Mr. Bean, Batman, Lady Gaga. Die Buden sind voll damit.

Von einigen weihnachtlichen Schmankerln nach unserer Vorstellung ist jedoch nichts in Sicht. Wenigstens ein heißer Sangria vielleicht? Nichts dergleichen. Bei Sonnenschein und warmen Temperaturen auch irgendwie verständlich.

Ein bisschen Adventsglitzer

Ab einem gewissen Punk auf der Reise scheinen wir die Regenwolken gebucht zu haben. Sie folgen uns, wohin wir auch fahren. Auch in Spanien merkt man, dass es Dezember wird. An vielen Tagen ist es trüb und regnerisch. Auf engstem Raum sitzen wir zu zweit im Bus. Die Matratze, die nachts als Bett dient, wird tagsüber zum Sofa und Bürostuhl zugleich. Warum hatten wir uns gleich nochmal für die Route über Südspanien entschieden? Ach ja, wegen der vielen Sonnenstunden.

Na gut, wenn schon deutsches Wetter, dann bitte auch mit etwas Adventsglitzer. Der Ausflug zum Lidl wird ein Highlight. Euphorisch decken wir uns mit Nürnberger Lebkuchen, Adventskalender und -kerzen ein. Dann machen wir es uns mit der Standheizung kuschelig warm und schalten die Lichterkette an. Im Hintergrund läuft leis „White Christmas“, kalt genug ist es dazu gefühlt auch. Langsam kommt auch bei uns ein bisschen Weihnachtsstimmung auf.

Schinken und Pulverplätzchen

Wie wohl die Spanier die Zeit bis Weihnachten verbringen? Was für Traditionen und Bräuche gibt es? Wir sind sehr gespannt darauf.
Die Straßen sind mit Lichterketten verziert und am Ortseingang leuchtet meist ein großes „Bonnes Festes“ oder „Feliz Navidad“. In den Supermärkten hängen riesige Schinkenkeulen an den Wänden. Serrano Schinken, Iberischer Schinken. Mal pur, mal in einer Art Schinkenstofftasche zum Verschenken. Daneben sind die Regale voll mit süßen Weihnachtsleckereien, die einem in buntes Papier gewickelt entgegen lachen. Spanische Weihnachtsplätzchen? Begeistert füllen wir eine Tüte voll. Die sogenannten Polvoróns erweisen sich beim Geschmackstest in der Tat jedoch als ziemlich pulverige Angelegenheit.

Die Heiligen Drei Könige am Strand

Es ist Anfang Januar. Wenn bei uns der Zauber von Weihnachten bereits vorbei ist, geht es in Spanien erst so richtig los. Im Supermarkt laufen nach wie vor Weihnachtslieder, die Einkaufswägen werden randvoll gefüllt. In den großen Shopping Malls wimmelt es vor Menschen, die geschäftig große Tüten schleppen. Ein vertrautes Bild. Doch während deutsche Kinder längst Besuch vom Christkind oder dem Weihnachtsmann hatten, fiebern die kleinen Spanier immer noch auf den großen Tag hin, an dem Caspar, Melchior und Balthasar hoffentlich die sehnlich gewünschten Geschenke bringen.

Bereits am Abend vor der Bescherung wird die Ankunft der Heiligen Drei Könige mit einer Parade gefeiert. Die Sonne strahlt vom Himmel. Wir haben gerade unsere erste Surfstunde absolviert. Mit Blick aufs Meer trinken wir genüsslich einen Sundowner auf einer Dachterrasse im Surfermekka El Palmar. Plötzlich hören wir es trommeln. Eine Musikgruppe nähert sich und gibt gut gelaunt ihre Trommelrhythmen zum Besten. Dahinter ein Gewusel aus Menschen. Und dann, von Elfen und anderen himmlischen Helfern begleitet reitet es schließlich vorbei, das Trio aus dem Morgenland. Süßigkeiten werden ausgeworfen, die von Kindern und junggebliebenen Erwachsenen begeistert eingesammelt werden. Die Szenen erinnern an unsere Faschingsumzüge.

Am 6. Januar sitzen wir gerade am Frühstückstisch, als wir von den umliegenden Wohnhäusern ein „Ohhhh“ und „Wooohh“ vernehmen. Na, wenn da mal nicht die drei Herren vom Vortag da waren.

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2 Antworten zu „Bonnes Festes“

  1. Avatar von Ingrid
    Ingrid

    Jeder feiert anders……….
    aber wie man sieht, hattet ihr trotzdem ein schönes, besinnliches, kreatives Weihnachtsfest.
    2023 wird hoffentlich wieder traditionell gefeiert….
    Liebe Grüsse

    1. Avatar von Melanie

      Es ist auf jeden Fall einmal schön, Einblicke in andere Weihnachtsbräuche zu erhalten. Da sieht man erst wie vielfältig diese selbst in Europa sind.
      Liebe Grüße

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