Wundersame Wüstenwelt
Heiß. Trocken. Staubig. Sanddünen, die uns die Sicht versperren. Was sich hinter dieser hier verbirgt? Wer weiß das schon. Sven poltert darauf los. Anhalten ist momentan ausgeschlossen. Zu groß die Gefahr, im weichen Sand stecken zu bleiben. Wir drehen eine Runde im Dünental. Der Boden ist mit pilzartigen Verhärtungen übersät. Unsere Körper hängen bedrohlich schief im Auto. So geht es den Hang der Düne einmal im Kreis wie auf einem Trichter entlang. Meine Alarmglocken läuten. Wie viel Schräglage Giorgio wohl aushält? Plötzlich lenkt Sven ein und steuert geradewegs über die Düne, welche am harmlosesten erscheint. Ich kralle meine Fingernägel kurz in den Sitz, dann stellt sich die Erleichterung ein. Wieder ein Hügel geschafft. Wartet hier vielleicht der Ausgang auf uns? Nein, nur weitere Sandberge. Wir sind umzingelt von ihnen. Planlos verlieren wir uns komplett im Dünenlabyrinth, driften gefühlt immer weiter von unserem Ziel ab. Sven flucht. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Die Sonne strahlt erbarmungslos vom Himmel. Sie heizt Giorgio und die Stimmung zusätzlich auf. „Verdammte Wüste, ich will einfach nur noch raus hier“, denke ich, zumal ich aktuell ironischerweise auch noch mit einer Erkältung zu kämpfen habe. Nach einer gefühlten Ewigkeit und zahllosen Dünen später ist endlich wieder die Piste in Sicht. Ich hänge in den Seilen, will nur noch Schatten und Ruhe. Leichter gesagt als getan. Wie gerne würde ich nun einfach mit einem der Dromedare tauschen. Völlig unbeeindruckt von der Hitze und dem aufgewirbelten Sand trampeln sie entspannt durch die Gegend oder dösen in der prallen Sonne. Genügsam wie sie sind, geben sie sich mit dornigen Akazienbäumen und trockenen Büschen zum Abendessen zufrieden. Ich hingegen falle völlig erschöpft in die Hängematte und erwarte sehnsüchtig den Sonnenuntergang, der die Luft wenigstens ein bisschen abkühlt.
Die Wüste der Erg Chegaga zeigt uns an diesem Tag wie lebensfeindlich sie ist. Alles, was sich nicht an die extremen Bedingungen dort angepasst hat, überlebt nicht lange.
Die Wüste lebt
Leuchtend frisches Grün sprießt aus dem Boden. Scheinbar tote Bäume beginnen wieder aufzuleben. Ihre Äste sind mit vielen Trieben und kleinen Blättern versehen. Fliederfarbene und weiße Blüten zieren Sträucher und locken zahlreiche Insekten an. Überall summt, brummt und krabbelt es. Hier eine Biene, dort ein Käfer. Voller Eifer scheinen sie ihren Geschäften nachzugehen. Eine stattliche Echse mit leuchtend gelben Körperteilen tankt etwas Sonne, flitzt dann über den Boden und schon ist sie verschwunden. Wir sind nach wie vor in der Wüste und werden Zeuge einer wundersamen Verwandlung. Einige Wochen vor unserer Ankunft gab es dort Regen. Der erste seit sechs Jahren. Alles, was ausgetrocknet und verdorrt war, erwacht nun. Zum Teil fahren wir durch einen regelrechten Pflanzenwald, wenn rechts und links von uns die Sträucher der Calotropis aufragen. Mein Klischeebild der Wüste, welches nichts als Sand abbildet, erhält heute ein paar neue Farben.
Fasziniert erreichen wir unser Nachtlager, irgendwo inmitten der Sanddünen. Ich lasse meine bisherigen Erlebnisse und Eindrücke Revue passieren. Sie sind so vielfältig wie die Wüste selbst. Da gibt es Momente der Verzweiflung, wenn der heiße Planet erbarmungslos niederstrahlt, das Gesicht brennt und kein Schatten in der Mittagshitze in Sicht ist. Wenn du fieberhaft versuchst, einen Ausweg aus dem Dünenlabyrinth zu finden und die Skarabäusse dich mit Vorliebe in die Füße zwicken. Im Gegenzug dazu ist die Wüste all ihre Strapazen wert. Beim Erklimmen der Dünen mit nackten Füßen, um dann den Blick über die malerischen Sandberge schweifen zu lassen. Beim Zusammensitzen ums Lagerfeuer, während sich über uns ein gigantisches Sternenmeer im dunklen Nachthimmel abzeichnet. Keine Straßenlaterne, keine Häuserbeleuchtung erhellt die Nacht. Es ist angenehm still, so, dass es mir vorkommt, als würde Sven schreien, während er mit mir spricht. Wie ungewohnt das doch ist, keine Umgebungsgeräusche zu haben. Ich empfinde es als Balsam für die Ohren in unserer sonst so lauten Welt.
Die unerreichbare Wasserstelle
Wir fahren weiter, irgendwann verlieren sich die Dünen im Nichts. Sie machen einer planen, harten Fläche Platz. Soweit das Auge reicht, keine Bäume oder Sträucher mehr. Links von uns soll sich der Lac Iriki befinden. Alles was wir sehen ist ebenfalls eine ausgetrocknete Ebene. Doch dann, ganz plötzlich wird unser Blick durch etwas Blaues angezogen. Es ist eindeutig am Horizont zu erkennen. Wie interessant, eine Oase inmitten dieser Tristesse? Sven schlägt rechts ein und wir düsen wie gebannt auf die Wasserstelle zu. Ein bisschen Wasser und Schatten zur Mittagspause ist verlockend. Mit jedem Stück, das wir näher kommen, scheint sich das Wasser jedoch weiter zu entfernen. Wie kann das sein? Weiter, immer weiter fahren wir dem kühlen Nass entgegen. Und dann ist es plötzlich weg. Vom Erdboden verschluckt. Vor uns sind dunkle Schottersteine, sonst nichts. Sven und ich sehen uns verwundert an. Schließlich begreifen wir, dass wir tatsächlich auf das Spiel einer Fata Morgana hereingefallen sind.
Die Wüste hat viele Facetten. Uns zeigt sie sich von ihrer schönsten Seite.
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